Auch wenn die Lebens- und Genussmittelindustrie mit Sicherheit noch den größten Arbeitsbereich einnimmt, findet man heutzutage den Einsatz von Sensorik in vielen anderen Branchen: In der Kosmetikindustrie, der Auto- und Flugzeugindustrie, bei der Entwicklung von Mobiltelefonen, Lautsprechern, Küchengeräten, Möbeln, Hygieneprodukten, Gastronomie- und Shopkonzepten, Tiernahrung und vielen mehr.
Dabei hat sich die angewandte Sensorik in sehr unterschiedlichen Unternehmensbereichen etabliert: von der Qualitätssicherung, Produktentwicklung, Innovation, Konsumentenforschung bis hin im Marketing leistet die Sensorik heutzutage wichtige Beiträge bei der Erreichung von Unternehmenszielen.
Sie finden hier weitere Informationen zu einigen, ausgesuchten Arbeitsbereichen:
Von „Sinn“ und „Sinnlichkeit“ bei Lebensmitteln – Sensorik bei Lebensmitteln
Wer schon einmal das Knacken der Karamellschicht einer frisch zubereiteten Crème brulée gehört und dann den Löffel in die weiche, zarte Creme getaucht hat, weiß…
Ja, was weiß dieser Mensch nun genau? Die im wahrsten Sinne des Wortes „Sinnlichkeit“ dieses Augenblicks beschreibbar und messbar zu machen, ist Aufgabe der Sensorik, der Wissenschaft von den Sinnen.
Dabei gibt es generell zwei Richtungen:
1. Geht es darum, die Crème brulèe möglichst genau zu beschreiben und in diesen Eigenschaften vorurteilsfrei zu messen (z.B. Cremigkeit der Creme)?
= Objektive Verfahren oder Deskriptive Analyse
2. Oder ist es wichtig zu wissen, ob die Crème brulèe dem Verbraucher gefällt oder nicht gefällt? Wenn ja, welche Eigenschaften sind für ihn wichtig?
= Subjektive Verfahren (Hedonische Prüfungen)
Dem Geschmack auf der Spur
Dem Geschmackssinn kommt bei Lebensmitteln die größte Bedeutung zu, da Lebensmittel eindeutig für den Verzehr bestimmt sind. Neben der grundlegenden Bedeutung für das Überleben hat der Geschmackssinn den größten Einfluss auf das Gefallen (die Akzeptanz) eines Lebensmittels.
Ein Lebensmittel, das nicht schmeckt, wird keine Akzeptanz beim Verbraucher finden.
Aus diesem Grund ist ein Großteil der sensorischen Verfahren und der sensorischen Forschung bei Lebensmitteln auf den Geschmackssinn ausgerichtet.
„Das Auge isst mit“
Neben dem Geschmack spielt die optische Beurteilung bei Lebensmitteln eine wesentliche Rolle. Das Aussehen eines Lebensmittels beeinflusst wesentlich den ersten sensorischen Eindruck und beeinflusst die Wahrnehmung beim Verzehr deutlich. Bei Lebensmitteln ist vielfach der Zusammenhang von Farben und Geschmäckern gelernt (z.B. rot mit Erdbeere, Himbeere, Kirsche oder anderen roten Früchten). Trifft dieser Zusammenhang nicht zu, kommt es häufig zu Verwirrung oder Enttäuschung.
Was ist mit Riechen, Hören und Tasten?
Auch diese Sinne spielen eine Rolle bei der Beurteilung von Lebensmitteln (z.B. Knacken von Crème brulèe). Im Gegensatz zu den beiden ersten Sinnen sind sie auch wichtig, aber eher zweitrangig. Sie ergänzen den sensorischen Eindruck eines Lebensmittels.
Darin besteht einer der wesentlichen Unterschiede zu Non Food Produkten (siehe auch Non-Food)
Bedeutung der Sensorik bei Lebensmitteln
Die sensorische Beurteilung eines Lebensmittels entscheidet wesentlich über den Wiederkauf eines Produktes. Zwischen 80 bis 90 % aller neu eingeführten Lebensmittel verschwinden nach einem Jahr wieder aus den Regalen, weil sie nicht ausreichend wiedergekauft werden oder die Erwartungen nicht erfüllen. Eine aktiv ausgeführte Sensorik kann diese Rate deutlich senken. Neue Methoden helfen dabei, die Wünsche des Verbrauchers zu erkennen und in neue Produkte umzusetzen.
Non-Food Sensorik
Neben der klassischen Sensorik für den Lebensmittelbereich finden die Methoden der deskriptiven Analyse und der Konsumententestung auch breite Anwendung in anderen Bereichen. Über den Geschmacks- und Geruchssinn hinaus ist hier die sensorische Wahrnehmung durch den Tastsinn und das Gehör, sowie natürlich in allen Fällen auch das Sehen gefordert. Ein prominentes Beispiel ist die Kosmetikindustrie, in der sich intensiv mit den haptischen und olfaktorischen Beschreibungen und Bewertungen der Produkte auseinander gesetzt wird. In der Autoindustrie finden alle Sinne ihren Einsatz: Es wird gefühlt, wie ein Bremspedal getreten wird, gehört, wie die Autotür zuschlägt, gerochen, wie der Neuwagen riecht. In der Zigarettenindustrie wiederum spielen Geschmack und Geruch die entscheidende Rolle. Alle Industriezweige beschäftigen sich mit der Haptik von Oberflächen z.B. Verpackungen.
All diesen Anwendungen ist gemein, dass sich die Methodik von der im Lebensmittelbereich nicht unterscheidet, in der Umsetzung der Methoden allerdings andere Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen, z.B. haben klimatische Bedingungen einen großen Einfluss auf die Bewertung einer Creme. Es empfiehlt sich in klimatisierten Räumen zu arbeiten. Der klassische Konsumententest im Labor hingegen ist für ein Shampoo nicht sinnvoll durchzuführen, in der Kosmetikindustrie wird daher hauptsächlich mit In-Home-Use Tests gearbeitet.
Alles in allem wird die Sensorik im Non-Food Bereich breit eingesetzt, es gibt aber auch noch viel Neuland und weitere Entwicklungsmöglichkeiten.
Die Verpackung ist heute ein fester Bestandteil vieler Lebens- und Genussmittel (Quark im Becher, Milch in Kartons, Softgetränke in Dosen, Wurst in Kunststoffverpackung etc.). Dies ist sowohl praktisch als auch hygienisch und insbesondere Kunststoffe - als Verpackungsmaterialien für Lebensmittel - sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken.
Da es hierbei für unser aller Sicherheit und Gesundheit wichtig ist, dass Verpackungsstoffe, die in direkten Kontakt mit den Lebensmitteln sind, nicht in das Produkt übergehen, hat der Gesetzgeber strenge Regelungen und Vorschriften erlassen, um den Schutz der Verbraucher sicherzustellen.
Sensorisch relevante Veränderungen können durch Wechselwirkungen zwischen Füllgut und der Verpackung (Karton, Plastik etc.) aber auch den darin enthaltenden Druckfarben, Lacken und verwendeten Klebern verursacht werden. Nach der EU-Rahmenverordnung 1935/2004/EC dürfen Lebensmittelkontaktmaterialien die verpackten Lebensmittel sensorisch nicht negativ beeinflussen.
Um Verpackungen in ihren Eigenschaften zur Übertragung von Geschmack und Geruch auf Füllgut zu bewerten, erfordert es die Kenntnis verlässlicher Bewertungsmethoden, die Festlegung tragfähiger Qualitätskriterien und deren regelmäßige Anwendung in sensorischen Prüfverfahren.
Um die Herkunft eines beeinträchtigenden Stoffes zu lokalisieren, muss bewertet werden, ob ein Packstoff einen Eigengeruch aufweist oder, ob geschmacksverändernde Substanzen auf das Füllgut übergegangen sind.
Die Sensorik - als wissenschaftliche Disziplin zur objektiven Bewertung durch die geschulten menschlichen Sinnesorgane - wird häufig in der Qualitätssicherung sowie bei Kontrollen durch amtliche Behörden (z.B. Lebensmittelkontrollen) eingesetzt.
Die sensorische Analyse ist hierbei eine eigenständige, analytische Untersuchung und ist in ihrer Bedeutung genauso wichtig wie mikrobiologische, chemische oder physikalische Analysen.
Die professionelle Durchführung sensorischer Tests unterliegt wissenschaftlichen Standards, die meist nach DIN & ISO Normen zertifiziert sind.
- Die Sensorik spielt eine zentrale Rolle bei der Qualitätsbeurteilung von Produkten
- Sensorische Analysen findet man in der Produkt- und Qualitätssicherung
- Sensorische Prüfungen lassen auch Rückschlüsse auf die Qualität der verwendeten Rohstoffe und den Produktionsprozess zu
Sensorische Prüfungen werden in der Lebensmittelindustrie z.B. eingesetzt, um die Mindesthaltbarkeit von Produkten festzulegen.
Zwei Aufgaben der Marktforschung haben einen unmittelbaren Bezug zur Sensorik: Produktforschung und Käuferforschung.
Gegenstand der Produktforschung ist die Ermittlung der Akzeptanz von Markenprodukten des eigenen Unternehmens, des Wettbewerbs sowie von Neuentwicklungen bzw. Produktänderungen etablierter Marken. Die Käuferforschung liefert Informationen über die Konsumenten bezüglich sozio-demographischer und Verhaltensmerkmalen (z.B. Konsumhäufigkeit, Zubereitung der Produkte für den Konsum) und führt im Ergebnis zur Definition von Zielgruppen. Die Rekrutierung der Konsumenten, die Erhebung der Daten sowie eine erste Datenanalyse führen häufig externe Institute durch.
Die Produktforschung kann ihre Verfahren aus einem umfangreichen Methodenrepertoire wählen. Zur Akzeptanzermittlung verkosten und beurteilen Personen der Zielgruppe die Produkte in einem Blindtests (keine Information über die Marke). Um den Einfluss von Produkt und Marke auf die Konsumentenakzeptanz zu ermitteln, werden zusätzlich Akzeptanztests mit Kenntnis der Marke (sogenannte „branded tests“) in der gleichen bzw. in einer strukturgleichen Stichprobe durchgeführt.
Produktblindtests werden vorzugsweise mit einer größeren Menge Testprodukt sowie an dem Ort durchgeführt, an dem die Konsumenten das Produkt üblicherweise konsumieren (bzw. zubereiten). Auch hierfür hat sich ein englischer Begriff etabliert: „extended home-use test“. Bei geringem Bedarf an durchzuführenden Produkttests wird man alle Produkte in einer Untersuchung testen lassen, wobei die Reihenfolge der Darreichung randomisiert wird (sequentiell monadischer Test). Bei hohem Testbedarf und wenn zusätzliches Wissen akkumuliert werden soll, kommt der monadische Test mit strukturgleichen Stichproben zum Einsatz, bei dem jeder Prüfer nur ein Produkt zur Verkostung bekommt und der Vergleich der Produkte über die Stichproben erfolgt. Die Rekrutierung der Testpersonen erfolgt bei letzterer Variante vorzugsweise aus einem nationalen Konsumentenpanel.
Die Käuferforschung bedient sich hauptsächlich der Instrumente Befragung und Beobachtung. Während sozio-demografische Angaben sowie Konsumhäufigkeiten auch im Rahmen von Produkttests erhoben werden können, benötigt man für Verhaltensbeobachtung entsprechend eingerichtete Teststudios.
Für die Aufbereitung der zahlreichen Daten, die bei diesen Verfahren anfallen werden fortschrittliche Methoden der Datenanalyse benötigt.
Forschung und Innovation sind wichtige Treiber für soziale, technologische und ökonomische Entwicklungen. Sie dienen der Entwicklung leistungsfähiger Infrastrukturen und der Qualifikation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sowie der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftssystems zum Wohle von Gesundheit, industriellen Innovationen und vielen weiteren Aspekten.
Sensorikforschung wird als Bestandteil diverser Programme gefördert:
a) Grundlagenforschung
- Medizinisch, physiologisch, psychologisch
- Chemisch, verfahrenstechnisch
b) Angewandte Produktforschung mit innovativen Substanzen oder Produktentwicklungen
Finanzielle Förderungen sind in der Regel im Verbund mehrerer nationaler und/ oder internationaler Forschungseinrichtungen zu beantragen:
EU Horizon 2020 Programm 2014–2020
AIF Arbeitsgemeinschaft industrieller Gemeinschaftsforschung
Forschungskreis der Ernährungsindustrie
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Verschiedene, kleinere Förderprogramme auf Länderebene
Längst hat auch das Marketing die Bedeutung der Sensorik für sich entdeckt.
Durch die steigende Bedeutung des Produktes im Marketing Mix von Markenherstellern wird es zunehmend wichtiger, sich durch konsumentenrelevante Produktinnovationen und wahrnehmbar unterschiedliche Produkte zu differenzieren.
Da heutzutage die Existenz eines Mehrwertes und/oder eines Alleinstellungsmerkmals (USP = "Unique Selling Proposition") eines Produktes oft eine essentielle Bedeutung hat, nimmt die Wahrnehmung der Produkte beim Konsumenten eine Schlüsselrolle bei den kommerziellen Erfolgsfaktoren ein.
Während die Konsumentenforschung eher nur subjektive Ergebnisse der Konsumenten hinsichtlich des Gefallens und der Akzeptanz eines Produktes liefern kann, kann nur die Sensorik dies komplementieren und Erkenntnisse zur objektiven Wahrnehmung, Beschreibung und Charakterisierung eines Produktes beisteuern.
Dadurch kann die Sensorik sowohl wichtige Grundlagen bei der Entwicklung von Auslobungen und der Erstellung der Produkt-Stories liefern, als auch zur Überprüfung von Marketingaussagen („delivering the promise“) eingesetzt werden.
Erkenntnisse über die objektive, sensorische Charakterisierung eines Produktes sind natürlich nicht nur für die eigenen Produkte von Interesse, sondern finden auch in der Markt- und Mitwettbewerberbeobachtung ihren Einsatz. So ermöglichen sensorische Analysen die systematische Ermittlung der, für die Konsumenten-Akzeptanz und -Präferenz wichtigen, Produkteigenschaften ("Preference Driving Factors") und somit die zielorientierte Verbesserung und/oder Neuentwicklung konsumentenrelevanter(er) Produkte zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen.
Als Spiegelbild der Konsumenten erlaubt die Sensorik immer tiefere Erkenntnisse in holistische Betrachtungsweisen der Produktwahrnehmung und/ oder Produkt-Konsumenten-Interaktion und liefert so bedeutende Beiträge zur Erstellung von Marketing-Produkt-Konzepten und -Strategien.
Die ersten Sensoriker kamen (fast) völlig ohne Statistik aus: Zur Auswertung von Unterschiedstests hatte man Tabellen, aus denen man - sobald das Ergebnis vorlag - ablesen konnte, ob sich die zwei untersuchten Proben statistisch signifikant unterschieden. Bei der ersten Methode zur sensorischen Profilierung von Produkten, der Flavour Profil Methode, erstellte zwar jeder Panellist sein individuelles Profil, die Zusammenfassung aller Beurteilungen erfolgte aber noch nach Diskussion im Konsens.
Heute ist Sensorik ohne ein gewisses Maß an Statistikkenntnissen kaum zu betreiben. Die ersten Computerprogramme zur Datenanalyse der Ergebnisse sensorischer Prüfungen wurden von Anwendern für den eigenen Bedarf entwickelt. Einige dieser Programme wurden danach auch der Allgemeinheit zum Kauf (z.B. senstools, SenPAQ) bzw. kostenlos angeboten (z.B. PanelCHECK, SensoMineR, sensR, ConsumerCHECK). Von den Allroundprogrammen verfügt bisher nur das Programm XLSTAT mit dem Modul MX über eine Sammlung von Methoden für die Analyse von Daten aus sensorischen Studien. Daneben bieten die Programme zur Datenerfassung (z.B. FIZZ, Compusense) Auswerteprogramme für unterschiedliche Erhebungsmethoden.
Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts wurden komplexere, statistische Verfahren für die Auswertung von Daten aus Konsumentenprodukttests und sensorischen Profilierungen eingesetzt. In den letzten Jahren veränderte sich schließlich auch die Auswertung der Ergebnisse aus Diskriminierungstests. Mit Thorston’s Law of Comparative Judgement und der Signalentdeckungstheorie erhält die Technik der Unterschiedstests eine theoretische Basis, die zur Folge hat, dass man aus dem Ergebnis das Abstandsmaß d‘ (sprich: di preim) errechnet. Im Gegensatz zu den bisher verwendeten Anteilen richtiger/übereinstimmender Urteile (pC) bzw. die um die Ratewahrscheinlichkeit korrigierten, richtigen/ übereinstimmenden Urteile (pD) ist d‘ unabhängig von der Art des verwendeten Unterschiedstest. Mit der kostenfreien Software sensR können alle diese Kennwerte zusammen mit ihrem Konfidenzintervall berechnet werden.
Letztes Update dieser Seite: Okt 2019